Nein sagen
10. Dezember 2022
Guten Morgen zusammen. Ich bin die Tage auf ein Thema gestoßen, dass für viele Patientenhalter ein riesiges Thema ist. Man darf Behandlungen auch verweigern und auch abbrechen. Sei es Bewegungsbehandlung, Tierarzt, Heilpraktiker, Trainerstunden etc. Ihr dürft NEIN sagen! Ich war sehr verwundert über die Storys die ihr mir erzählt habt: Hunde die am Behandlungstisch festgebunden wurden, ältere Arthrose Patienten die über zwei Stunden beim Hundefriseur zwingend stehen mussten (Patient ging zitternd zu Boden und Besitzer sprach mehrere Male darauf an) oder leider auch ein Pferdehufbehandlung bei denen es normal ist, die Feile als „Strafe“ auf dem Bauch zu zimmern. Alles oben Genannte ist mir nicht nur einmal zugetragen worden.
Natürlich ist eine gute Behandlung/Trainingstsunde, egal welcher Art, einer Gewöhnung an solch eine Situation vorausgesetzt. Die Tiere sollten gewöhnt sein, angefasst, überall berührt zu werden, Fieberthermometer, Stethoskop, Ohren und Maulcheck, Pfoten und Hufe berührt zu bekommen etc. All das muss vorher schon ordentlich konditioniert und trainiert sein. Mein persönlicher Gruselsatz: „Er wurde noch nie so richtig von fremden Menschen berührt“ In meinem Kopf stelle ich mir immer Fragen in so einer Situation: Wie soll das Tier denn jetzt so entspannen? Warum wurde es denn nicht trainiert? Und wo ist mein Handy, falls ein Notfall passiert?
An dieser Stelle muss man deutlich sagen, selbst das traumatisierteste Tier kann wieder lernen, was eine gute Berührung bedeutet. Ich habe regelmäßig „wilde und traumatisierte Tiere“ die mit einigen Tipps lernen können, dass eine Berührung etwas Tolles sein kann. Klar gibt’s welche die es nicht mögen, dennoch sind das erfahrungshalber eher seltener Fälle. Oft ist der Mensch zu übergriffig, zu schnell, zu hektisch, sieht die Berührung als selbstverständlich, geht dem Tier zu hektisch an den Pelz oder auch mit der falschen Intention. Tiere reagieren sehr extrem, auf das was wir denken und in welcher Geschwindigkeit wir handeln. Wie grob oder fein, wie selbstbewusst oder zweifelnd berühren wir sie. All das läuft bei einer sensiblen einfachen Geste ab.
Aber zurück zum Thema. Ihr dürft Nein sagen, wenn euch ihr gerade merkt, dass es nicht Protier läuft. Gerade im Pferdebereich herrscht leider immer noch zu oft die Ansicht, dass das Pferd einfach nur mal eine geknallt braucht. Oder das man eine Körperhaltung einfach mal erzwingen kann. Das kann kurzweilig funktionieren, aber entweder wird das Pferd mit solchen Gesten gebrochen, es staut sich immer weiter im Tier an, bis es explodiert oder das Pferd schaltet ab und wird eine „seelenlose Gestalt“. Naja das Trauma ist somit vorprogrammiert und die nächsten Behandlungen werden nicht leichter. Wenn man von Propferd oder Protier spricht bedeutet es, dass das Tier auch eine deutliche Wahl/Möglichkeit hat Nein zu sagen. Klar das ist definitiv nicht der einfache Weg, denn man trifft auf viel Gegenspruch. Dennoch bekommt man Tiere die auf einem Vertrauen, die auch die Zähne zusammenbeißen aber währenddessen ruhig bleiben, da sie sich auf den Tierhalter verlassen können. Die Kooperation, das Miteinander sollte immer über einem „brechen oder da muss er jetzt halt durch“ stehen.
Es gibt während einer Behandlung egal welcher Art, Momente wo es unangenehm wird. Keine Frage muss man hier Vorsicht walten lassen. Entweder sagt man, „kurz Zähne zusammenbeißen“ oder Situation abbrechen und neu trainieren/aufbauen oder auch eine Narkose.
Klar dauert es bis man das eigene Gewohnheitsmuster durchbrochen hat, dennoch zahlt es sich aus! Wenn Hunde in die Praxis kommen, die mich beim ersten Mal knurrend und fletschend begrüßen und am Ende fasst ohne Mauli mit mir klarkommen und sich sogar über mich freuen. Das sind die guten Protiermomente ❤️ Wenn der A***Hengst aus dem Stall während einer Behandlung lernt, dass Berührungen mit der Hand keine Strafe sind, sondern auch Entspannung und Hilfe sein können.
Warum viele Situationen gerade im Behandlungsbereich eskalieren?
🍁Zu hohe Ansprüche und Erwartungen an das Tier.
🍁 Nicht genügend trainiert und konditioniert.
🍁 Dem Tier keine Zeit und Raum für seine Bedürfnisse und Reaktionen gegeben.
🍁 Das Tier fühlt sich ignoriert und missverstanden.
🍁 Die Kommunikation zwischen Halter und Tier funktioniert nicht.
🍁 Die Kommunikation zwischen Behandelten und Mensch und Tier ist nicht ausreichend.
🍁 Es ist schlicht zu wenig Zeit geplant.
Und so geht’s zu einem der wichtigsten Punkte bei dieser Diskussion. Zeit! Wie haben schlicht und einfach viel zu wenig Zeit. Viele hetzen, Job, Kinder, die nächsten Patienten warten, Notfall auf dem Handy etc. Dazu kommt, dass viele Behandelte wie Tierärzte, Schmiede und Physios überlaufen sind und von Grund auf zu wenig Zeit haben. (Klar ist es keine Rechtfertigung, dennoch kann man es ansprechen und klären bzw abbrechen) Aber auch keine Zeit fürs Medical Training, keine Zeit nehmen zum Konditionierungstraining und dann leider erwarten, dass alles sofort funktioniert.
Es muss also schnell gehen und genau dieser Ansatz muss sich ändern. „Gut Ding will Weile haben“ Klar kann man sich nicht einfach eine halbe Stunde mehr Zeit nehmen, dennoch kann man die Rahmenbedingungen soweit anpassen, dass es nicht/sehr wenig zu Zwangssituationen kommt. Vieles hängt hier von einer ordentlichen Vorbereitung und Gewöhnung ab. Und dann liegt es am Tierhalter sich passende Therapeuten, Tierärzte und andere Dienstleister zu suchen, die zum Tier passen. Oft sind es auch persönliche Differenzen, fehlende Sympathie, mangelnde Kommunikation und keine Bereitschaft auf den anderen einzugehen, die dann Probleme verursachen.
Ich für meinen Teil gehe wesentlich entspannter in eine Behandlung, wenn ich einen Tierhalter vor mir habe, dessen Kommunikation mit dem Tier sehr gut funktioniert. Um es einfach zu sagen. Man hat es als Tierhalter selbst in der Hand, was mit dem Tier passiert oder nicht. Sollte es zu schwierigen Situationen kommen, kann und darf man Stopp sagen! Egal ob Übergriffigkeit, unsensibler Umgang, Verletzungen oder ähnliche Vorgänge geschehen. Es liegt am Menschen wie weit es geht. Man darf aber auch die Kehrseite nicht vergessen: Wie soll man ein Tier ordentlich behandeln, dass an nichts/nicht ausreichend gewöhnt ist? Das nicht mal die Hand auf dem Rücken toleriert? Wo vielleicht auch der Mensch manchmal zu sensibel und zu viel Gefühl in die Situation steckt? Sprecht euer Gegenüber an und redet vorher bitte klar und ehrlich. Wer einen ständig übergeht, ignoriert und dafür keinen Grund hat, ist vielleicht nicht die ideale Wahl. Ich hoffe ich konnte euch Mut zum Kommunizieren machen und wünsche euch ein tolles Wochenende.