Teenager in der Reha

112. Mai 2023

Kaum eine Situation braucht soviel Sorgfalt, wie junge Tiere in der Behandlung. Warum das so ist und wie man ihnen helfen kann, diese Zeit schön zu gestalten, das möchte ich euch hier erzählen. 

Teenager, Jungtier, Kopfloser, Spinner oder Kobold. Es gibt soviele Begriffe diese Entwicklungszeit zu benennen. Was passiert in dieser Zeit? Die Hormone stellen sich um. Das eigene Bewertungssystem hat einen ordentlichen Wackler und es kann zu „Fehlern“, wie Fehlprägungen kommen. Der Organismus stellt von Jungtier auf Erwachsen um, also werden auch die körpereigenen Hormone ordentlich durcheinander gebracht. 

Die Wahrnehmung sei es physisch wie psychisch fährt Achterbahn. Ivo, unser Junghund mit eineinhalb Jahren, ist das beste Beispiel. Sehr selbstbewusst, am besten mit dem Kopf durch die Wand und nichts hält ihn auf. Das ist sein Charakter, wenn da nur die Pubertät nicht wäre. Aktuell ist er schüchtern, zweifelt an seinen eigenen Handlungen, hält bei schwierigen Situationen doppelt so oft Rücksprache und ist nicht der selbstbewusste Jungrüde den wir kennen. Ein falscher Impuls und sein Vertrauen hat einen großen Knack. 

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Der Charakter formt sich, es wird quasi ALLES in Frage gestellt und komplett neu bewertet. Ein paar Beispiel: Ist die Situation wirklich so gefährlich? „Warum finde ich das Laufband gruselig und sonst war doch alles ok?“ Der Bewegungsimpuls auf dem Band macht Angst. „Warum fasst mich der Therapeut so grob an?“ Oder nimmt der Körper nur genauer war? „Warum ist auf einmal alles so laut und so hektisch?“ Oder wird der Körper einfach sensitiver. Als Therapeut ist hier viel Empathie, Verständnis und Rücksicht gefragt. Wissen und zu erkennen, wenn es zuviel wird und wo man noch etwas mehr machen kann. 

Wenn man sich jetzt noch vorstellt, dass man in dieser Zeit eine Operation oder Krankheit hat, wird es psychisch wie physisch eine Herausforderung. Schmerzen, Umstellungen, Einschränkungen, Frust und auch Tatsachen die man nicht versteht, stellen sich hier ein. Tieren können wir leider nicht so einfach erklären, warum die Situation so ist wie sie ist. Sie müssen sie einfach hinnehmen und irgendwie damit klar kommen. Tiere haben ansich ja schon kaum eine Wahl bei welchem Menschen sie leben möchten. Und dann noch so eine Situation, das ist alles nicht so einfach zu verarbeiten. 

Viele Jungtiere verlieren ihre wertvolle Zeit in der Reha. Sie können sich nicht so austoben und austesten wie sie möchten. Einschränkungen und Frust ziehen ein. Daraus resultieren oft Verhaltensweisen, die man nicht möchte: frustrationsbedingte Aggression, Flucht ins Innere eine Art Depression, Verlust der Lebensfreude oder auch Futterverweigerung uvm. In diesen Situationen ist viel Verständnis und Mitgefühl gefragt. 

Und hier ein kleiner Tipp: Mitgefühl und kein Mitleid. Wenn man als Tierhalter mit leidet, kann man für das Tier kein Fels in der Brandung sein. Ein Fels der Stabilität schenkt, der Ruhe und Zuversicht ausstrahlt und einfach auch mal über kleine Probleme hinweg schaut. Es hilft keinem, wenn es beiden Parteien schlecht geht und beide in schlechter Laune versinken. Das bedeutet aber auch keine Empathielosigkeit und eine kalte Schulter. 

 

Der Spruch: „Da muss er jetzt durch“ wird hier auch oft für eine Ausrede genutzt, selbst mal die Initiative zu ergreifen, um zu grübeln, wie man dem Tier die Situation angenehmer machen kann. Manchmal bedeutet es auch aus der eigenen Komfortzone zu gehen: Mal öfter, dafür kürzer gassi gehen, wenn möglich die eigenen Arbeitszeiten anzupassen, länger mit dem Tier zu kuscheln, auch mal reine Zuneigung schenken ohne Eigennutz, mal auf das reiten zu verzichten  und spazieren zu gehen oder in harten Fällen sich einzugestehen, wenn man Hilfe braucht. Trainer, Therapeuten und Tierärzte haben immer gute Tipps wie man gut durch die Rehazeit kommt. 

Diese Zeit hat aber auch gute Seiten, auch wenn das erstmal seltsam klingt: Man wächst zusammen. Tiefes Vertrauen, Respekt, gegenseitige Rücksicht und auch eine tiefe Bindung entstehen hier. Man arbeitet zusammen, lernt sich gegenseitig noch tiefer kennen und stellt sich aufeinander ein. Jede Übung, jeder Griff, jedes Training, jede Minute stellen diese Verbindung auf die Probe. 

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Teenager müssen eine Menge während dieser Zeit verarbeiten und lernen zu tolerieren. Mir ist ein respektvoller ruhiger, aber klarer Umgang wichtig. Es gibt klare Spielregeln und diese werden zum Wohle beider Seiten festgelegt. Diese sind der rote Faden, den es in so einer Zeit braucht. Das Hormonsystem bringt den Vierbeiner, egal ob groß oder klein, schon genug durcheinander. Sollte jetzt ein inkonsequentes Miteinander einziehen kann es schnell gefährlich werden. Wenn ich hier bemerkte, das beide an ihre Grenzen kommen, schalte ich hier gerne einen Trainer mit ein. 

Es darf auf keinen Fall zu Vertrauensverlust kommen, denn dann ist der Patient meist nicht mehr bereit etwas zu machen. Eine Reha verschiebt oft die Teenagerzeit nach hinten. Je nach Op etc. müssen Trainings wie Hundebegegnungen, Jungpferdeumgang, Einreiten oder auch Rudeltrainings hinten anstehen. Diese kann man meist hinten nachholen. Man muss es nur im Hinterkopf haben und die entsprechenden Geduld samt Verständnis mitbringen. 

Es ist immer ein Kompromiss, der aber zum Guten und zu tiefen Kennenlernen führt. Es lohnt sich diese Zeit mit Ruhe und Geduld anzugehen. Kaum eine Reha läuft ohne Komplikationen oder Zwischenthemen die sich zeigen. Reagiert man besonnen und gefasst, geht es fasst spurlos weiter. Je mehr Sorgen und Grübeln eintreten, desto schwieriger wird es auch fürs Tier. Diese merken genau, wenn sich ihr Mensch mehr Sorgen macht als nötig. Das gibt unnötigen Stress, den es zu vermeiden gilt. Also auch das eigene Mindset ein wenig im Zaum halten und auch durchhalten. Habt ihr Fragen? Stellt Sie gerne! Euch einen guten Start ins Wochenende.